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  KI braucht Richtung – und HR muss sie vorgeben  
Dr. Heiko Mauterer

Dr. Heiko Mauterer

Senior Partner | CHRO-Experte
5 min. Oktober 2025

KI braucht Richtung - und HR muss sie vorgeben

Wie HR Künstliche Intelligenz verantwortungsvoll gestaltet, Chancen nutzt und den Wandel im Unternehmen steuert

Ein Gespräch mit Dr. Heiko Mauterer, Senior Partner und CHRO-Experte bei 4C

KI trifft auf HR - und damit auf den Kern jedes Unternehmens: den Menschen. Im Gespräch mit Dr. Heiko Mauterer, Senior Partner und CHRO-Experte, wird deutlich, dass KI im Personalwesen weit mehr ist als ein technisches Thema. Er erklärt, warum HR eine Schlüsselrolle einnimmt, wie europäische Werte in die KI-Entwicklung einfließen können, und weshalb gerade jetzt der Moment ist, sich strategisch neu zu positionieren.

 

Aktuell wird überall über KI gesprochen. Warum ist gerade das Personalwesen ein besonders spannendes Feld für den Einsatz von KI?

Ich finde das Personalwesen deshalb so interessant, weil hier Technologie und Mensch unmittelbar aufeinandertreffen. KI verändert nicht nur Prozesse, sondern auch unsere Art zu arbeiten, zu lernen und zu kommunizieren. Das macht HR zum zentralen Gestaltungsfeld dieser Transformation. Operativ geht es um Schulungen, Trainings und Qualifizierungen, also darum, wie wir Mitarbeitende befähigen, KI sicher und sinnvoll zu nutzen. Gleichzeitig betrifft das die Kultur: Wie schaffen wir Vertrauen und Offenheit? Wie stellen wir sicher, dass Vorurteile in Daten erkannt und korrigiert werden? Diese Verbindung von Hard Facts und Soft Skills macht das Thema so komplex. Und so faszinierend!

Ich persönlich finde es unglaublich spannend, was mit KI alles möglich ist. Gleichzeitig ist mir dabei extrem wichtig, dass wir diese Entwicklung von Anfang an gut gestalten - organisatorisch, kulturell und ethisch, damit die positiven Aspekte gewinnen und die negativen so gering wie möglich gehalten werden.

Laut Expert:innen wird bis Ende dieses Jahrzehnts fast jede Position in irgendeiner Form KI-relevant sein. Das bedeutet eine immense, komplexe Transformation, die HR treiben und orchestrieren muss. Die Unternehmenskultur wird massiv umgestaltet werden. Jetzt ist der Moment, in dem sich HR strategischer positionieren und eine führende Rolle in dieser Entwicklung übernehmen sollte.

 

Wie erleben Sie den aktuellen Stand in großen Unternehmen innerhalb des deutschen Marktes?

Viele große Unternehmen haben inzwischen eine KI-Governance etabliert, aber sie ist noch längst nicht überall im Alltag angekommen. Oft wissen Mitarbeitende gar nicht, welche Tools erlaubt sind oder wie sie sie nutzen dürfen. Besonders in Produktionsbereichen sehe ich häufig, dass private Geräte oder frei verfügbare Tools eingesetzt werden, ohne Bewusstsein für mögliche Datenabflüsse. Hier ist HR gefragt, klare Richtlinien und Schulungen zu etablieren, damit Mitarbeitende sicher mit KI umgehen und Risiken verstehen.

Positiv ist, dass immer mehr Unternehmen eigene, geschützte KI-Systeme entwickeln, die auf interne Datenquellen wie Teams oder SharePoint zugreifen. So entsteht ein sicherer, unternehmensspezifischer Wissenspool. Allerdings fehlt es vielerorts noch an Struktur - etwa an klaren Prozessen, wie diese Systeme gepflegt und aktualisiert werden sollen.

Meine Erfahrung aus der Beratung zeigt: Es gibt viele gute Ideen, aber es hapert häufig an der Umsetzung. KI wird in einzelnen Abteilungen vorangetrieben, statt als gemeinsames Transformationsprojekt verstanden zu werden. Dadurch entsteht eine Silo-Mentalität, die zum Risiko werden kann.

 

Wenn wir in die Zukunft blicken: Welche Chancen sehen Sie für HR-Abteilungen, die KI frühzeitig und verantwortungsvoll nutzen?

Die Chance ist riesig. HR kann vom administrativen Dienstleister zum echten Business-Enabler werden - im Zusammenspiel mit IT, Strategie und Führung. KI eröffnet die Möglichkeit, datenbasiert zu planen, Kompetenzen gezielt zu entwickeln und Talente dort einzusetzen, wo sie den größten Mehrwert schaffen. Besonders spannend ist die Entwicklung hin zu einem skillbasierten Verständnis von Arbeit: Weg von starren Positionen hin zu flexiblen Skill-Profilen, die durch KI sichtbar werden. Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten für Personalplanung und Weiterbildung.

Ein weiterer Vorteil ist, dass wir unsere europäischen Werte in die technologische Entwicklung einbringen können. Wenn wir Bias und Diskriminierung aktiv angehen, kann KI sogar gerechtere Entscheidungen treffen als der Mensch! Die KI kann Diversität fördern und Chancengleichheit stärken. Dafür muss sie richtig trainiert und verantwortungsvoll eingesetzt werden.

Kurz gesagt: Wer KI im HR als strategisches Werkzeug versteht, stärkt nicht nur Effizienz, sondern auch die Unternehmenskultur.

 

Gleichzeitig ist viel von Risiken die Rede - von Bias bis hin zu rechtlichen Unsicherheiten. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Stolperfallen, und wie sollten Unternehmen damit umgehen?

Ehrlich gesagt sehe ich die größte Gefahr darin, dass Unternehmen die Chance verpassen. Das führt dann dazu, dass Abteilungen selbstständig und unabhängig voneinander KI einsetzen. So entstehen unkontrollierte Insellösungen anstatt einer gesamtheitlichen Lösung im Rahmen der Unternehmenswerte.

Weitere Stolperfallen sind fehlende Konsequenz in der Umsetzung und zu späte Einbindung wichtiger Gremien, etwa des Betriebsrats. KI darf kein IT-Projekt sein, das isoliert geführt wird! Sie ist ein interdisziplinäres Thema, das Führung, Personal, Technik und Ethik gleichermaßen betrifft. Aus diesen Gründen muss KI zur Chefsache gemacht werden. Das möchte ich ganz deutlich betonen. Nur wenn alle Akteure frühzeitig eingebunden sind, kann KI verantwortungsvoll und wirksam eingesetzt werden.

 

Mit dem EU AI Act kommen bald umfangreiche Anforderungen auf Unternehmen zu. Wie schätzen Sie die Auswirkungen ein? Was sollten HR-Verantwortliche jetzt tun?

Ich höre oft Sätze wie: „Der EU AI Act bremst uns aus" oder „Durch diese Einschränkung hinken wir in Deutschland wieder hinterher ..." Das sehe ich völlig anders. Eine klare Regelung ist kein Hindernis, sondern ein Sicherheitsnetz. Sie ist wie die Straßenverkehrsordnung. Ja, es gibt an einigen Stellen Einschränkungen, aber zugunsten unserer Sicherheit. Der EU AI Act macht den Einsatz von KI für uns alle risikofreier und sorgt für Fairness.

Für HR heißt das konkret: Unternehmen müssen verstehen, in welchen Bereichen ihre Systeme als Hochrisiko-Anwendungen gelten. Dazu gehören vor allem Recruiting, Leistungsbewertung und Beförderungsentscheidungen. Das ist sinnvoll, weil hier Entscheidungen direkt in Grundrechte eingreifen können.

Wichtig ist jetzt, die Vorgaben des AI Acts frühzeitig umzusetzen. Mitarbeitende müssen zu Themen wie Ethik und Bias geschult werden. Genauso gilt es, Schatten-KI zu vermeiden - also weder auf Unternehmensgeräten unerlaubte Tools zu nutzen noch mit Privatgeräten auf Firmendaten zuzugreifen. Eine positive Governance-Struktur schafft Klarheit, fördert Vertrauen und schützt das Unternehmen vor Risiken.

Und noch ein Punkt, der mir besonders am Herzen liegt: Wir haben in Europa hervorragende KI-Systeme, die den amerikanischen in nichts nachstehen, oft nur mit weniger Marketing. Sie werden in europäischen Rechenzentren betrieben, unterliegen dem EU-Recht und garantieren Datensouveränität. Wer auf solche Lösungen setzt, erfüllt nicht nur die Anforderungen des AI Acts, sondern stärkt auch die digitale Unabhängigkeit und Wertebasis Europas.

 

Was bedeutet all das für die Rolle von HR insgesamt - verändert KI nur Prozesse oder auch die Bedeutung von HR im Unternehmen?

Ganz klar: beides. KI verändert, wie HR arbeitet, und gleichzeitig welche Rolle HR im Unternehmen einnimmt. HR muss sich selbst transformieren und parallel das Unternehmen durch diesen Wandel führen. Wir erleben also ein doppeltes Transformationsprojekt.

Die Funktion entwickelt sich vom Prozessverwalter zum strategischen Treiber. HR kann helfen, KI sinnvoll in Geschäftsmodelle zu integrieren, Skills aufzubauen und den kulturellen Wandel zu gestalten.

Besonders spannend finde ich dabei, dass HR die Brücke zwischen den Generationen schlagen kann. Die Babyboomer-Generation bringt jahrzehntelange Erfahrung aus einer Arbeitswelt ohne KI mit. Ihr Wissen ist unglaublich wertvoll, um die Qualität von KI zu verbessern. Wir sollten diese Erfahrungswerte nutzen, um Systeme realitätsnah und verantwortungsvoll zu trainieren, bevor sie verlorengehen.

 

Zum Abschluss: Welchen Rat würden Sie HR-Leiter:innen geben, die jetzt mit KI starten möchten?

Ich würde drei Dinge empfehlen. Erstens: Prüfen Sie, ob die Anforderungen des EU AI Acts in Ihrem Unternehmen wirklich erfüllt sind. Das klingt formal, ist aber essenziell - denn damit schaffen Sie die Leitplanken, innerhalb derer Sie KI sicher und verantwortungsvoll einsetzen können.

Zweitens: Entwickeln Sie eine klare KI-for-HR-Strategie. Diese sollte langfristig angelegt sein und zeigen, welchen konkreten Mehrwert KI für die HR-Arbeit und das Unternehmen insgesamt bringen kann. Wer das Thema proaktiv gestaltet, wird früher oder später die entscheidende Antwort parat haben, wenn die Geschäftsführung fragt: „Wie setzen wir KI eigentlich strategisch ein?"

Und drittens: Warten Sie nicht, bis alles bis ins letzte Detail geplant ist, sondern werden Sie praktisch. Setzen Sie zwei oder drei konkrete, nutzenstiftende Use Cases um, mit denen HR echten Mehrwert schafft. Das kann zum Beispiel ein smarter Recruiting-Assistent, ein internes Wissens-Tool oder eine KI-gestützte Lernplattform sein. So zeigt HR, dass es nicht nur über KI spricht, sondern sie gezielt anwendet und messbaren Mehrwert schafft - sicher, strategisch und mit klarem Nutzen.

 

Auf einen Blick:

  • Warum KI gerade im HR so spannend ist: KI verändert nicht nur Prozesse, sondern die gesamte Arbeitskultur. HR steht im Zentrum dieser Transformation - zwischen Technologie, Mensch und Ethik.
  • Wo Unternehmen aktuell stehen: Viele Unternehmen haben erste Strukturen geschaffen, aber die Umsetzung hinkt hinterher. KI darf kein Einzelprojekt sein! Nur ein gemeinsamer, koordinierter Ansatz verhindert gefährliche Silos.
  • Welche Chancen KI für HR eröffnet: KI ermöglicht skillbasiertes Arbeiten und datengetriebene Entscheidungen. Wer HR strategisch denkt, stärkt Effizienz, Lernkultur und Unternehmenskultur; gleichzeitig werden europäische Werte aktiv in die Technologie eingebracht.
  • Welche Risiken und Stolperfallen lauern: Die größte Gefahr ist, Chancen zu verpassen. KI muss interdisziplinär gedacht, frühzeitig abgestimmt und als Chefsache geführt werden, um Vertrauen und Wirksamkeit zu sichern.
  • Was der EU AI Act bedeutet: Der AI Act ist kein Hemmschuh, sondern ein Sicherheitsnetz. Unternehmen, die jetzt auf europäische, datensouveräne KI-Lösungen setzen, schaffen Klarheit, Vertrauen und stärken die digitale Unabhängigkeit Europas.
  • Wie sich die Rolle von HR verändert: HR wandelt sich vom Prozessverwalter zum strategischen Treiber der Transformation. Die Erfahrung älterer Generationen kann dabei helfen, KI verantwortungsvoll und realitätsnah zu gestalten.
  • Was HR jetzt tun sollte: eine klare KI-for-HR-Strategie entwickeln, die Vorgaben des EU AI Acts umsetzt und gleichzeitig konkrete Use Cases zur Praxisreife bringt. So wird KI sicher, strategisch und messbar wirksam.

 

Unser Blog Autor: 

Dr. Heiko Mauterer

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